Statt des Schäufelchens Erde…

steckten wir Kerzen in eine Schale mit Sand und schauten auf den geschmückten Sarg und der Pfarrer hat so blöd geredet, dass ich die Tränen halten konnte. Ich kann mit Kirchenliedern nichts anfangen, und das falsche Gesinge von rechts und links, gibt dem Ganzen etwas Groteskes. Nur der Blick auf die Tochter und die Enkel erinnert mich daran, wo wir sind.
Als wir alle ihnen dann am Kapellenausgang die Hand drücken, schaue ich in schmerzverzerrte ganz junge Gesichter. Die Tränen laufen ihnen herunter und sie sehen so jung, so schutzlos und zerbrechlich aus. Fast so, als hätte man sie gerade aus dem Paradies vertrieben.
Der Himmel schickt den ganzen Tag einen feinen Regen und scheint von der feinen verstorbenen Nachbarin viel mehr verstanden zu haben, als dieser nichtssagende Pfarrer der von Schäflein und Hoffnung salbadert. Oberflächlich spricht er – während der Regen sanft die ostwestfälische Wetterkleidung durchdringt und sich zur Haut vorarbeitet. Genüsslich lasse ich mich vom Regen berühren und finde so gar nichts Lehrreiches am Sterben und auch der Tod hat keine Moral, keinen Fingerzeig. Die Familie tröstet sich damit, dass sie gesund bis ins hohe Alter, den entsprechenden Verwahranstalten entkam und doch glaube ich, dass sie noch gut und gern einige, mehrere Jahre ihren Garten singend beackert hätte. Ich höre noch ihr verschmitztes Kichern und ihre liebevolle Reibeisenstimme, die sicherlich niemals Strenges gesagt hat.
Seit dem Baustellenwochenende auf der Insel meines Vertrauens, schmerzt mein Rücken und winkt mit Vorfällen. Die Kollegen fallen mir noch immer auf den Nerv, ebenso wie der überfüllte Schreibtisch, die unerledigte Buchhaltung, die unvollendeten Buchkapitel und der Kalender, der Motivation und spannende Erzählungen von mir erwartet. Die Studenten, die sich Ende des Monats auf mich freuen, würde ich viel lieber mit auf die Insel nehmen. Wie in den alten Zeiten ein kleines sit-in im Garten machen, Feuer anzünden, Sonnenstrahlen auf Schilf bewundern und über Sinn parlieren. Die Freundin aus Ö. meint, das Altwerden nichts für Weicheier sei und ich stelle fest, dass mein Rücken begeistert Chakkaa brüllt. Ich bin ein Weichei und suche nach Fluchtwegen aus Klimakteriumsfigur (dank an Kittykoma für dieses Wort) und Blutdruckeskalationen und Rücken.
Und dann denke ich wieder an die alte Dame, die uns fehlen wird. Und dann hoffe ich mit kindlicher Inbrunst, sie möge jetzt in Ruhe mit ihrem früh verstorbenen Mann auf einer sanften Bank sitzen, schweigend und glücklich den Blick streifen lassen.
Weberin - 8. Nov, 12:13

Das dumme Dahergerede des Pfarrers kann ich mir gut vorstellen, denn eine so lieblose Rede habe ich kürzlich anlässlich des Todes der Mutter einer Freundin gehört. Da stellen sich alle Nackenhaare auf. Andererseits kann ich mich an kein Wort der Reden erinnern, wenn ich Menschen beerdigt habe, die mir sehr nahestanden, dann erreicht einen das vermutlich gar nicht.
Aber die Vergissmeinnicht, die später auf dem Grab blühen werden, die erreichen diejenigen, die jemanden begraben mussten.

rosmarin - 15. Nov, 12:38

ja.... irgendwie haben Sie recht und die Worte spielen eigentlich keine große Rolle. Sie stören mich, wenn ich sie als unpassend oder oberflächlich empfinde. Sie berühren mich, wenn sie den Nerv treffen.... aber letztlich.... würde Musik ausreichen.
Weberin - 16. Nov, 13:09

Frau Rosmarin, ich meinte nicht einmal, dass die Worte keine große Rolle spielen, obwohl ich völlig mit Ihnen übereinstimme, dass sie sehr störend sein können, wenn sie als oberflächlich empfunden werden, ich meinte vielmehr, dass diese Worte vermutlich nur diejenigen erreichen, die zwar kondolieren, aber nicht so sehr unter dem Schock des Verlustes leiden, wie die allernächsten Angehörigen. Aber möglicherweise ist es ganz dumm da von mir auf die Allgemeinheit zu schliessen...
kittykoma - 15. Nov, 15:02

Meine Mutter hat die Totenrede für ihre Tante und ihre Mutter gehalten. (Sie hat früher berufshalber Reden geschrieben) Wenn die Hinterbliebenen selbst etwas sagen, dann finde ich das gut.

Weberin - 16. Nov, 13:05

Sie haben Recht. Dann ist wenigstens sicher gestellt, dass wirklich etwas über diese Person ausgesagt wird und nicht irgendwelche Plattheiten aneinander gereiht werden, das Wesentliche fehlt und womöglich noch etwas Falsches erzählt wird.
Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob ich es könnte, erfahrungsgemäß lebe ich eine Zeitlang in einem absoluten Vakuum nach einem Verlust, da funktioniert kein Denken, das auch nur halbwegs klare Sätze produzieren könnte.
Obwohl ich es wiederum sehr schön fände, wenn mein Mann oder meine Söhne eine Totenrede für mich halten würden. Und schon ist man wieder bei der Frage, für wen den so eine Beerdigung und das ganze Ritual eigentlich da ist; für die Toten, oder für die Hinterbliebenen?
rosmarin - 17. Nov, 13:14

@kitty: ich mag das auch viel lieber, wenn nahestehende Menschen etwas sagen... (oder auch etwas Musik abspielen.... bei dem tod meines exfreundes wurde sehr wenig gesagt, aber janis joplin in voller lautstärke gespielt. das war irgendwie bewegend und traurig und auch tröstlich)

@weberin: das mit dem vakuum kann ich gut nachvollziehen, wenn der mensch ein sehr sehr naher war. und ich denke: das ritual ist für die überlebenden. mir geht es so, dass ich diese rituale irgendwie brauche, auch wenn sie am gefühl und der trauer nichts ändern.

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